Wer darf noch öffnen?
Einzelhandel mit Tabakwaren, E-Zigaretten und Lotto stark verunsichert
BERLIN // In Abstimmung mit der Bundesregierung hat der Ministerrat der Bundesländer mit Wirkung vom 18. März Leitlinien zur weiteren Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich beschlossen. Dazu zählt die Schließung zahlreicher Einrichtungen und Geschäfte.
Versorgung der Bevölkerung
Um die Versorgung der Bevölkerung mit Dingen des täglichen Bedarfs sicherzustellen, werden Ausnahmen zugelassen. So dürfen Wochenmärkte, der Einzelhandel für Lebensmittel, Getränkemärkte, Abhol- und Lieferdienste, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Frisöre, Reinigungen, Waschsalons, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte sowie der Großhandel geöffnet bleiben. Auch der Zeitungsverkauf ist weiter gestattet. Die Sonntagsverkaufsverbote werden in der Zeit von 12.00 bis 18.00 Uhr für diese Geschäftssparten bis auf weiteres grundsätzlich ausgesetzt.
Hamsterkäufe im Fachhandel
Bevor die Verbote in Kraft traten, wurden zum Teil auch im Tabakwarenhandel Hamsterkäufe beobachtet. „Uns berichteten verschiedene Mitglieder, dass Kunden eingekauft hätten, als gäbe es morgen keine Tabakwaren mehr“, erklärte Cay Uwe Vinke, Vorstandsvorsitzender der Ermuri Genuss Company, gegenüber DTZ.
Ehe die Maßnahmen von der Bundesregierung und den Bundesländern beschlossen wurden, hatte Torsten Löffler, Präsident des Bundesverbandes des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE), in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie an verschiedene Bundesminister unter anderem darauf hingewiesen, dass der Tabakwaren-Einzelhandel „in vielen Fällen mit einem tiefen und breiten Presse-Sortiment Garant für die Versorgung der Bevölkerung mit Zeitungen und Zeitschriften ist, die in der Vereinbarung von Bundesregierung und Bundesländern explizit von Verkaufsverboten ausgenommen sind“.
Rolle als Nahversorger
Darüber hinaus gehörten Tabakwaren unbedingt in den Kontext „Lebensmittel“ und würden im Regelbedarfsermittlungsgesetz explizit neben Nahrungsmitteln und Getränken aufgeführt. „Nur wenn die durchgehende Versorgung der Bevölkerung mit Tabakwaren und Nikotinprodukten durch den Tabakwaren-Einzelhandel als Nahversorger aufrechterhalten wird, kann die Überlastung des Lebensmitteleinzelhandels durch 14 Millionen Raucher verhindert werden“, so Löffler. Die weitere kontrollierte Öffnung der Nahversorger-Geschäfte senke den Druck auf den Lebensmitteleinzelhandel und verhindere zu starke Menschenansammlungen. Im Übrigen führe der klassische Lebensmittelhandel nur ein Rumpfsortiment von Tabakwaren und Presse sowie nur wenige der potenziell risikoreduzierten Produkte, gibt BTWE-Geschäftsführer Steffen Kahnt zu bedenken.
E-Händler sichern Grundbedarf
Apropos risikoreduzierte Erzeugnisse: Hier appellieren der Verband des E-Zigarettenhandels (VdeH) und das Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) an die Bundesländer, den Beispielen aus Frankreich und Italien zu folgen und E-Zigarettenfachhändler ausdrücklich in den Ausnahmen der Schließungsverfügungen aufzunehmen. „Während Tabakraucher weiter im Lebensmitteleinzelhandel, in Zeitungskiosken und an Tankstellen einkaufen können, gilt das für E-Zigarettennutzer nicht: Diese Verbraucher können ihren Grundbedarf an Ersatzteilen und Nachfüllflüssigkeiten nicht mehr decken“, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung. Der Fachhandel für E-Zigaretten und nikotinhaltige Flüssigkeiten sei für die notwendige Grundversorgung der Konsumenten, entsprechend zu Kiosken, unbedingt offen zu halten.
Große Verunsicherung
Im Einzelhandel für Tabakwaren und Lotto herrscht unterdessen große Verunsicherung. Kurz nach Inkrafttreten der Beschlüsse des Ministerrats sind Angestellte von Behörden ausgeschwärmt, um zu überprüfen, ob sich die betroffenen Händler an die Schließungsverfügungen halten. „In einem kurzen Zeitraum von zweieinhalb Stunden riefen bei mir mehr als 70 Annahmestellenleiter an und berichteten, dass Mitarbeiter der Ordnungsämter entweder ihre Läden schließen oder das Lotto-Terminal verdecken wollten“, sagt Tobias Buller-Langhorst, Geschäftsführer des Lotto- und Toto-Verbands der Annahmestelleninhaber in Nordrhein-Westfalen. Er informierte daraufhin die Ordnungsämter der Städte und Gemeinden in NRW, dass die 3300 Lotto-Annahmestellen im Land keine Wettbüros seien, für die Verkaufsverbote gelten würden und auch keine ähnliche Einrichtung, sondern klassische Einzelhandelsgeschäfte mit Produkten für den täglichen Bedarf, sprich: Tabakwaren, Presseerzeugnisse, Tickets für den ÖPNV und so weiter.
Lottoverkaufsstellen
Zuvor hatte sich Buller-Langhorst bereits in einem Schreiben an Ministerien des Landes NRW gewandt und unter anderem darauf verwiesen, dass viele Lottoverkaufsstellen neben dem Verkauf von Glücksspielen und Presseprodukten auch Nahversorger mit Lebensmitteln und oft auch Annahmestellen für Dienstleistungen von Post und Postbank seien.
Bei Lotto Rheinland-Pfalz erklärte Unternehmenssprecher Clemens Buch gegenüber DTZ (kurz vor Redaktionsschluss am 19. März): „Ob Lotto-Annahmestellen in Rheinland-Pfalz öffnen dürfen oder nicht, ist abhängig von dem, womit der Hauptumsatz gemacht wird.“ Wer in erster Linie Zeitschriften und/oder Produkte des täglichen Bedarfs verkaufe, dürfe dies auch weiter, so die Einschätzung. In der Koblenzer Lottozentrale geht man davon aus, dass nur wenige der 920 Annahmestellen im Land schließen müssen.
Fachhandel reagiert
Derweil haben etliche Tabakwaren-Fachhändler ihre Geschäfte vorerst geschlossen. Darunter befinden sich zum Beispiel No 7 in Augsburg, Pfeifen Huber in München, Tabak-Kontor Leipzig oder Falkum in Miltenberg. Kurz nachdem Bayern den Katastrophenfall ausrief, teilte etwa Gerhard Falkum mit, dass sein Ladenlokal ab 18. März voraussichtlich für 14 Tage geschlossen bleibt.
da
(DTZ 13/20)
19.03.2020